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Lean Management in der Molkerei

Wie Prozessverbesserung und Coaching die OEE revolutionieren

Die Produktion in großen Molkereibetrieben ist geprägt von hochkomplexen Anlagen, empfindlichen Prozessen und strengen Hygieneanforderungen. Jede Anlage muss präzise eingestellt sein, um Milch, Joghurt oder Käse in gleichbleibender Qualität und Menge herzustellen.

Schon kleine Abweichungen in Temperatur, Druck oder Viskosität führen zu deutlichen Schwankungen in der Ausbringungsmenge. Besonders nach einem Rüstwechsel, etwa beim Produktwechsel, sind die Anlagen extrem sensibel – und der Aufwand, sie wieder optimal einzustellen, ist hoch.

Gleichzeitig ist die Reinigung ein zentraler Faktor. Da Molkereiprodukte leicht verderblich sind und die Gefahr von Kontamination besteht, muss regelmäßig und gründlich gereinigt werden. Diese Reinigungszyklen führen zu Stillständen, die die Anlagenverfügbarkeit stark beeinträchtigen. Die Folgen sind: sinkende OEE-Werte.

In dieser Umgebung ist Lean Management ein mächtiger Hebel, um Schwankungen zu reduzieren, Prozesse zu stabilisieren und Mitarbeitende aktiv in die Problemlösung einzubinden. Doch die Umsetzung ist anspruchsvoll: Klassische Lean-Methoden stoßen oft an ihre Grenzen, wenn Prozesse so sensibel und reguliert sind wie in der Lebensmittelproduktion.

 

Komplexität und Sensibilität: Die besondere Herausforderung in Molkereibetrieben

Lean Management in der Molkereiherstellung bedeutet, unter extremen Randbedingungen zu arbeiten. Die Anlagen sind meist hochautomatisiert und auf maximalen Durchsatz ausgelegt – beispielsweise in Linien mit mehreren Spuren, auf denen parallel Milchgetränke-Becher, Joghurtbecher oder Quarkschalen befüllt und versiegelt werden. Dabei ist jedes Einzelteil – Becher, Deckel, Dichtung oder Etikett – auf minimale Verpackungskosten optimiert. Das führt dazu, dass viele Komponenten forminstabil sind und leicht verkanten oder verrutschen können.

Diese Eigenschaften machen die Anlagen empfindlich. Bereits kurze Stillstände führen zu massiven Produktionsausfällen, da mehrere Spuren gleichzeitig betroffen sind. Hinzu kommen strenge Hygiene- und Qualitätsvorgaben: Jeder Produktionsschritt muss sauber dokumentiert, und jede Charge regelmäßig im QS-Labor geprüft werden.

Für die Prozessverbesserung stellt das eine doppelte Herausforderung dar. Zum einen darf keine Maßnahme die Lebensmittelsicherheit gefährden. Zum anderen ist der Zugang zu den Anlagen während der Produktion eingeschränkt – man kann oft buchstäblich nicht in die Maschine hineinschauen. Dadurch wird die Identifikation von Störquellen erheblich erschwert, was viele klassische Lean-Werkzeuge wie das direkte Beobachten („Go & See“) nur eingeschränkt möglich macht.

Hier setzt eine systematische Vorgehensweise an, die sowohl technische als auch menschliche Aspekte berücksichtigt – mit OEE-Messung, strukturierter Problemlösung und KATA-Coaching als Kernbausteinen.

 

OEE als Spiegel der Anlagenperformance

Um die komplexen Anlagen systematisch zu verbessern, wurde zunächst die OEE (Overall Equipment Effectiveness) als zentrale Kennzahl eingeführt. Die OEE beschreibt, wie effizient eine Anlage tatsächlich läuft – gemessen an Verfügbarkeit, Leistung und Qualität. Besonders in Molkereien, wo viele kleine Störungen, Reinigungszyklen und Formatwechsel auftreten, ist sie ein wertvolles Instrument, um Muster zu erkennen.

Durch die kontinuierliche OEE-Auswertung wurden Schwachstellen sichtbar, die vorher nicht systematisch erfasst waren – etwa wiederkehrende Störungen nach bestimmten Reinigungsabläufen oder Formatwechseln. Diese Transparenz bildete die Basis für eine strukturierte Problemlösung.

 

Von der OEE zur Ursache: Strukturierte Problemlösung in Aktion

Ein besonders lehrreiches Beispiel stammt aus der Flüssigabfüllung. Hier trat immer wieder Blasenbildung beim Abfüllen von Molkereiprodukten auf. Diese Blasen sorgten dafür, dass beim anschließenden Verschließen der Becher der Deckel nicht sauber klebte – es entstanden Undichtigkeiten und Ausschuss. Das Problem trat nur sporadisch auf und schien keiner klaren Logik zu folgen.

Der erste Impuls vieler Verantwortlicher war, äußere Einflüsse wie Luftfeuchtigkeit, Taktgeschwindigkeit der Anlage, Temperatur der Becher oder Rohstoffschwankungen zu vermuten. Doch statt vorschnell zu handeln, wurde das Thema mithilfe der strukturierten Problemlösung nach Toyota angegangen. Unter Anleitung eines erfahrenen Produktionsmeisters führte der Anlagenbediener – begleitet durch Coaching – eine systematische Ursachenanalyse durch.

Die entscheidende Erkenntnis: Die Temperatur im Abfüllprozess war der Schlüssel. Kleine Abweichungen führten zur Bildung von Blasen, die den Verschlussprozess störten. Durch Coaching-Unterstützung wurde nicht nur die Ursache identifiziert, sondern auch eine praxisnahe Lösung entwickelt: Die Anlage wurde so umgebaut, dass die Temperatur direkt am Einfüllstutzen gemessen werden konnte. So ließ sich die Temperatur im Tank exakt nachregeln.

Das Ergebnis war beeindruckend: Die Störungsrate sank deutlich, die Prozessstabilität stieg und die OEE verbesserte sich spürbar – ohne externe Spezialisten oder teure Anlagenumbauten.

 

Coaching als Erfolgsfaktor: Wenn Mitarbeiter zu Problemlösern werden

Dieses Beispiel zeigt, dass die Kombination aus strukturierter Problemlösung und Coaching entscheidend ist. Viele Molkereien verfügen über hochausgebildete Techniker, aber die eigentlichen Ideengeber sitzen oft an der Anlage selbst. Die Anlagenbediener erleben täglich die kleinsten Veränderungen im Prozess – sie spüren, wenn etwas „nicht rund läuft“.

Durch das Coaching nach der Toyota KATA-Systematik lernen Mitarbeitende, systematisch zu denken, Ursachen zu hinterfragen und in kleinen, kontrollierten Schritten zu experimentieren. So entstehen Verbesserungen, die nicht „von oben verordnet“, sondern im Team entwickelt werden.

In der Praxis führt das zu einer völlig neuen Kultur: Weg von kurzfristiger Fehlerbeseitigung, hin zu kontinuierlicher Verbesserung – getragen von den Menschen, die den Prozess am besten kennen.

Low-Cost Automation: Große Wirkung mit einfachen Mitteln

Ein weiteres Beispiel für die Kraft von Lean Management in der Molkerei ist eine kleine, aber wirkungsvolle Idee aus dem Shopfloor:
Die Abfüllanlage benötigte kontinuierlich Becher, die in 200er-Kartons angeliefert wurden. Bei einem hohen Abfülltakt reichte ein Karton nur etwa drei Minuten, sodass der Anlagenbediener permanent vor Ort sein musste, um nachzufüllen. Das führte nicht nur zu Stress, sondern auch zu Unterbrechungen bei anderen Tätigkeiten.

Anstatt auf teure Automatisierungssysteme zurückzugreifen, entwickelte das Team selbst eine einfache, aber clevere Low-Cost Automation Lösung. Eine Vorrichtung wurde konstruiert, mit der fünf Kartons gleichzeitig bereitgestellt und automatisch nacheinander zugeführt werden konnten. Der Bediener musste dadurch nur noch alle 15 Minuten eingreifen – der Arbeitsaufwand blieb gleich, die Effizienz stieg deutlich.

Solche Beispiele zeigen, wie wirkungsvoll Mitarbeitende mit praktischem Prozesswissen und Lean-Methodik Verbesserungen erzielen können. Der Schlüssel liegt darin, Raum für Experimente zu schaffen, schnelle Prototypen zuzulassen und Erfolge sichtbar zu machen.

 

Ergebnis: Spürbare OEE-Steigerung durch Kombination von Methodik und Mensch

Die Kombination aus strukturierter Problemlösung, Coaching und eigenständiger Umsetzung führte zu einer signifikanten Steigerung der OEE in der betrachteten Molkerei. Anstatt auf externe Anlagenbauer angewiesen zu sein, entstanden Lösungen im eigenen Haus – mit minimalen Investitionen und maximalem Lerneffekt.

Die Mitarbeitenden entwickelten nicht nur ein besseres Verständnis für die Zusammenhänge ihrer Anlage, sondern auch Selbstvertrauen in die eigene Problemlösungsfähigkeit. So wandelte sich die Kultur: Aus „Bedienern“ wurden aktive Verbesserer.

 

Fazit: Lean Management in der Molkerei braucht Systematik und Mut zur Eigenverantwortung

Lean Management in der Molkerei ist kein Schnellrezept. Es verlangt Systematik, Disziplin und die Bereitschaft, technische wie menschliche Faktoren gemeinsam zu betrachten. Die besondere Sensibilität der Anlagen, die hohen Hygieneanforderungen und die häufig schwer zugänglichen Maschinenräume machen die Umsetzung anspruchsvoll.

Doch gerade hier zeigt sich die Stärke der Toyota KATA und der strukturierten Problemlösung. Sie ermöglichen, auch in hochregulierten Umgebungen wie der Lebensmittelproduktion nachhaltige Verbesserungen zu erreichen – Schritt für Schritt, durch Lernen im Tun.

 

Vergleich: Lean Management in der Molkerei vs. in der Automobilproduktion

Aspekt Ohne Lean-Methoden Mit Lean-Management & KATA-Coaching
Prozessstabilität Häufige Schwankungen nach Produktwechseln; lange Anlaufzeiten Stabile Prozesse durch strukturierte Ursachenanalyse und Standardisierung
Anlagenverfügbarkeit (OEE) Niedrigere OEE-Werte durch ungeplante Stillstände und Reinigungszyklen OEE-Steigerung durch gezielte Reduktion von Mikrostopps und Rüstzeiten
Mitarbeiterbeteiligung Reaktive Fehlerbehebung, wenig Eigeninitiative Proaktive Problemlösung durch Coaching und KATA-Routinen
Hygiene & Qualität Häufige Qualitätsabweichungen nach Reinigung oder Formatwechsel Verbesserte Prozesskontrolle durch sensorische Überwachung und Standards
Kostenstruktur Hohe Ausschuss- und Nacharbeitskosten Deutlich geringerer Ausschuss durch Ursachenbeseitigung
Kultur & Motivation „Feuerwehr-Modus“ – Fokus auf kurzfristige Fehlerbehebung Kontinuierliche Verbesserung als Teil der täglichen Arbeit
Automatisierung Ad-hoc-Lösungen, wenig Standardisierung Low-Cost Automation und einfache Vorrichtungen steigern Effizienz
Transparenz & Kennzahlen Unklare Ursachen, wenig Datenintegration Systematische OEE-Analyse mit regelmäßiger Auswertung
Führung & Coaching Anweisungsorientiert Lernorientiert: Führungskräfte als Coaches

Schlussgedanke

Lean Management in der Molkerei zeigt, dass selbst in sensiblen, stark regulierten Prozessen enorme Potenziale schlummern – wenn die Menschen an der Anlage befähigt werden, Probleme selbst zu lösen.
Die Verbindung aus systematischer Problemlösung, KATA-Coaching und Low-Cost Automation macht den Unterschied zwischen reiner Effizienzsteigerung und echter kontinuierlicher Verbesserungskultur.